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Verkehrswirtschaftliche Untersuchung A 20 – Großräumige Umfahrung Metrolpolregion Hamburg (Kurzfassung)

Von der offiziellen Gutachtergruppe A 20 im Februar 1998

 

 

 

 

 

7.1. Mögliche Lininenführungen

 

Tabelle 2 : Übersicht Varianten

 

Variante

Verlauf

I

Hamburg-ferne Elbquerung (Elbe-km 688) nördlich der Elbinsel Schwarztonnensand

Zeven – Stade – Drochtersen – Glückstadt – Bad Bramstedt – Bad Segeberg – Lübeck

I.1

Hamburg-ferne Elbquerung (Elbe-km 688) nördlich der Elbinsel Schwarztonnensand

Heidenau – Horneburg – (Versatz auf A 26) – Stade – Drochtersen – Glückstadt – Barmstedt – Kaltenkirchen – (Versatz auf A 7) – Schmalfeld – Bad Segeberg – Lübeck

II

Mittlere Elbquerung (Elbe-km 660) im Bereich der Elbinsel Pagensand

Zeven – Stade-Bützfleth (Grauerort) – Seestermühe – Elmshorn – Barmstedt – Kaltenkirchen – Versatz auf A 7) – Schmalfeld – Bad Segeberg – Lübeck

III

Hamburg-nahe Elbquerung (Elbe-km 64() im Bereich der Elbinsel Lühesand

Heidenau – Horneburg – (Versatz auf A 26) – Grünendeich – Hetlingen – Pinneberg – Kaltenkirchen – (Versatz auf A 7) – Schmalfeld – Bad Segeberg - Lübeck

 

 

10. Beurteilung und Bewertung der Varianten

 

10.1. Umwelt und Städtebau

 

In den durch die Raumempfindlichkeitsanalyse ermittelten konfliktärmeren Bereichen verbleiben bei allen Varianten Streckenabschnitte mit unterschiedlich gelagerten Konfliktschwerpunkten.

 

Die vier entwickelten Varianten (I, I1., II und III) stellen sich hinsichtlich ihrer Wirkungen auf die Bereiche Umwelt und Städtebau wie folgt dar:

 

·        Für den östlichen Teil des Planungsraumes liegen die Konflikte vor allem im Bereich der Querung des Segeberger Staatsforstes und der Umgehung Bad Segeberg. Das gilt für alle Varianten, die hier identisch sind. Die entscheidungsrelevanten Unterschiede der Varianten liegen im westlichen Teil des Planungsraumes.

·        Variante III ist unter Umweltaspekten zu bevorzugen. Sie hat in der Summe die geringsten Konflikte und mit Abstand die kürzeste Streckenlänge. Durch den zweimaligen Versatz an der A 26 und an der A 7 hat Variante III die relativ kürzeste Neubaulänge und bewirkt durch die geringere Flächeninanspruchnahme auch die insgesamt geringsten Umweltbelastungen sowie die geringsten Verluste bzw. Beeinträchtigungen von Wohnbausubstanz. Mit der Hamburg-nahen Führung verläuft diese Variante zum Teil durch Räume, die bereits stärker oder stark durch Verkehrsnutzungen geprägt und damit vorbelastet sind. Dem Verlust an Gewerbeflächen und –bebauung zwischen Prisdorf und Pinneberg steht eine Aufwertung durch die verbesserte Anbindung gegenüber. Auch die Stelle der Elbquerung ist (abhängig von der technischen Lösung) als relativ günstig einzuschätzen, da sie vergleichsweise geringere Beeinträchtigungen mit sich bringt.

·        Variante I ist wegen der Elbquerung bei Drochtersen die aus Umweltsicht ungünstigste Lösung. Beeinträchtigung des Gauensieker Sandes können nur durch eine aufwendige Verlängerung des Tunnels vermieden werden. Abgesehen von dem relativ konfliktfreien Elbzugang auf schleswig-holsteinischer Seite werden von dieser Variante auf weiten Strecken Landschaften besonderer Bedeutung und große, bisher störungsarme Räume gequert. Sie hat die größte Streckenlänge aller Varianten und ist zudem ausschließlich Neubaustrecke.

·        Die Varianten I.1 und II liegen bei diesem Vergleich im Mittelfeld, wobei Variante II aus ökologischer Sicht noch deutlich günstiger einzustufen ist. Die Nachteile der beiden Varianten gegenüber Variante III liegen vor allem in der Beanspruchung von Landschaften besonderer Bedeutung und großen, bisher störungsarmen Räumen auf weiten Streckenlängen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie ihrer größeren Gesamt- und Neubaulänge. Aus städtebaulicher Sicht ist Variante II ungünstiger, da durch sie in größtem Umfang Bausubstanz verloren gehen und Wohnqualität beeinträchtigt würde. Variante I.1 hat auf niedersächsischer Seite zwar eine etwas kürzere Streckenlänge, ist aber wegen des höchst problematischen Elbzugangs bei Drochtersen (identisch mit Variante I) sowie des weiteren Konfliktschwerpunktes im Bereich des Königsmoors in Schleswig-Holstein als ungünstiger zu bewerten.

 

Aus umweltfachlicher Sicht wird vorgeschlagen, der weiteren Planung Variante III zugrunde zu legen.

 

 

10.2. Raumstruktur

 

Die A 20 mit der neuen Elbquerung verbessert die Erreichbarkeit zwischen dem nordwestlichen Niedersachsen und dem südwestlichen Schleswig-Holstein deutlich. Großräumig werden für den Fernverkehr, der den Raum Hamburg durchfährt, die Strecken kürzer bzw. schneller. Weiterhin kommt es zu einer nicht unerheblichen Entlastung bestehender Strecken, vor allem der bisherigen Elbquerungen und des Verkehrsnetzes in Hamburg

 

Veränderungen der relativen Standortgunst für die betroffenen Einwohner oder Beschäftigten (und damit auch für die Betriebe) lassen sich durch die Veränderung der Fahrzeiten ausdrücken. Der Vorteil der vorgesehenen Varianten ergibt sich aus dem Zeitvorteil, der gegenüber dem Bezugsfall erzielt wird. Die größten Zeitvorteile, bezogen auf die Gesamtzahl der Fahrten, lassen sich für die Variante III erzielen, während Variante I.1 insgesamt am schlechtesten abschneidet.

 

Die Bevölkerung in einzelnen Teilregionen hat je nach Variante unterschiedlich hohe Vorteile. Diese Vorteile der regionalen Erreichbarkeit im Personenverkehr können durch die Zeitersparnis für alle Fahrten je Tag gemessen werden. Nach diesen Kriterien schneidet die Variante III am besten ab. Betrachtet man für diese Variante die Zeiteinsparung je Fahrt, ergeben sich die größten Standortvorteile für den Raum Pinneberg, gefolgt von Segeberg und Stade. Für den Personenverkehr zeigt sich ein deutlicher „Streifen“ verbesserter Erreichbarkeit am nordwestlichen Rand des Ballungsraumes Hamburg.

 

Für den gewerblichen Güterverkehr leiten sich die raumstrukturellen Veränderungen hinsichtlich der Standortgunst durch die Transportkostenersparnisse ab. Auch hier ergeben sich die größten Vorteile für Variante III.

 

 

10.3 Verkehr

 

Im Vergleich der nordwestlichen Umfahrungen Hamburgs ergeben sich die eindeutig größten Vorteile für die Hamburg-nahe Variante III, die auch die größten Entlastungen des vorhandenen Elbtunnels im Zuge der A 7 bewirkt. Die Belastungen im Elbtunnel gehen von 139.000 KfZ/24h  um etwa 12% auf 123.000 KfZ/24h an Normalwerktagen zurück. Der Vergleich der Fahrleistungen, besonders im Hinblick auf die Entlastung der Ortsdurchfahrten im Großraum Hamburg, zeigt ebenfalls Vorteile für Variante III. Aus Sicht der Verkehrssicherheit bewirken alle Varianten eine Reduzierung des Unfallgeschehens, wobei die relativen Vorteile bei den Varianten I.1 und II liegen.

 

Die großräumigen Wirkungen einer Ostumfahrung von Hamburg ohne zusätzliche Westumfahrung sind geringer als bei der Westumfahrung. Auch im Hinblick auf die Entlastungen vorhandener Ortsdurchfahrten hat die nordwestliche Umfahrung Vorteile gegenüber der Ostumfahrung.

 

Die nordwestliche und die östliche Umfahrung der Metropolregion Hamburg haben einen eigenständigen Wert und wirken unabhängig voneinander. Eine Kombination aus Nordwest- und Ostumfahrung (Variante III + Ost) vereint die Vorteile beider Einzelmaßnahmen und hat aus verkehrlicher Sicht die günstigsten Wirkungen.

 

 

10.4. Gesamtwirtschaft

 

Gemäß der Methode der Bundesverkehrswegeplanung werden für die einzelnen Varianten folgende Nutzkomponenten berücksichtigt:

 

 

Die ermittelten Nutzen werden jahrweise über die mittlere Lebensdauer der Maßnahme, die bei 45 Jahren liegt, aggregiert und mit der gesamtwirtschaftlichen Diskontierungsrate von 3 % p.a. in Barwerte umgerechnet. Alle monetären Größen werden sowohl zum üblichen Preisstand 1989 der BVWP´92 als auch zum aktualisierten Preisstand 1994 berechnet. Die Unterschiede im Nutzen-Kosten-Verhältnis zwischen den verschiedenen Preisständen fallen nur gering aus. Die Rangfolge der Varianten bleibt unverändert. Um eine unmittelbare Vergleichbarkeit mit anderen Verkehrsprojekten der BVWP´92 zu ermöglichen, wird im folgenden lediglich die Bewertung analog zum Preisstand 1989 dargestellt.

 

Für die gesamtwirtschaftliche Bewertung wird vereinfachend angenommen, dass die A 20 zu Beginn des Jahres 2010 vollständig fertiggestellt ist und dann dem Verkehr übergeben werden kann. Hinsichtlich der benötigten Finanzmittel wird von einem konstanten Mittelabruf während der Bauzeit ausgegangen. Aufgrund des gegenwärtigen frühen Planungsstandes erscheint eine derartige, mit dem BMV abgestimmte Vorgehensweise bei der Berechnung angemessen.

 

Die gesamtwirtschaftliche Bewertung nach dem Verfahren der BVWP´92 erfolgt im allgemeinen nur für Verkehre auf veränderten Strecken bei gleichen Quelle-Ziel-Beziehungen. Nutzen aus verlagerten Verkehren werden dabei lediglich implizit behandelt, indem hierfür die regionalwirtschaftlichen Beschäftigungsnutzen ermittelt werden. Für die vorliegende Bewertung werden auch die verlagerten Verkehre in die verkehrliche Nutzenberechnung einbezogen. Diese zusätzliche Betrachtung wird durchgeführt, weil sich durch die neue Elbquerung und die verbesserten Erreichbarkeiten zwischen dem nordwestlichen Niedersachsen und dem südwestlichen Schleswig-Holstein Umverlagerungen von Quelle-Ziel-Beziehungen (im weiteren als verlagerte Verkehre bezeichnet) in erheblichem Umfang ergeben werden. Da solche verlagerten Verkehre geänderte Ziele oder Quellen voraussetzen, sind insbesondere regionalwirtschaftliche Beschäftigungseffekte bereits im Verkehrsnutzen mit erfasst und werden nicht als gesonderte Nutzen berücksichtigt.

 

Um dennoch eine Vergleichbarkeit mit anderen Verkehrsmaßnahmen zu ermöglichen, wird die gesamtwirtschaftliche Bewertung der Planfälle sowohl mit verlagerten Verkehren (veränderte Quelle-Ziel-Beziehungen) als auch ohne verlagerte Verkehre (mit lediglich veränderten Strecken bei gleichen Quelle-Ziel-Beziehungen) vorgenommen.

 

Das Ergebnis der gesamtwirtschaftlichen Bewertung für den jeweiligen Planfall ist in der Reihenfolge des Nutzen-Kosten-Verhältnisses in Tabelle 7 dargestellt.

 

Tabelle 7 :   Rangfolge der Trassenvarianten nach dem Nutzen-Kosten-Verhältnis

 

Variante

Nutzen-Kosten-Verhältnis

Verkehrsnutzen-Kosten-Verhältnis

Mit verlagerten Verkehren

Ohne verlagerte Verkehre

Mit verlagerten Verkehren

Ohne verlagerte Verkehre

III

7,3

7,0

6,9

6,5

II

4,7

4,6

4,4,

4,2

I

4,4

4,3

4,0

3,9

I.1

3,8

3,7

3,5

3,4

 

Es zeigt sich, dass Variante III sowohl mit als auch ohne Berücksichtigung des verlagerten Verkehrs mit großem Abstand am günstigsten abschneidet. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die sehr hohen Nutzen aus Ersparnissen an Beförderungskosten und aus der Verbesserung der Erreichbarkeit, die sich bei Variante III gegenüber dem Vergleichsfall erzielen lassen. Bei dieser Variante kommt es aufgrund der räumlichen Nähe zu Hamburg zu der größten Entlastung der Autobahnen innerhalb Hamburgs (hauptsächlich A 7), deren frei werdende Kapazitäten wiederum dazu führen, dass Verkehr von den Stadtstrassen in Hamburg auf die Autobahn verlagert wird.

 

Betrachtet man die Verkehrsnutzen der Maßnahme ohne die sich hieraus ergebenden regionalwirtschaftlichen Effekte und das daraus resultierende Verkehrsnutzen-Kosten-Verhältnis, so ergibt sich die gleiche Rangfolge wie beim Nutzen-Kosten-Verhältnis. Die regionalwirtschaftlichen Effekte umfassen den Beschäftigungsnutzen während der Bau- und Betriebszeit, raumordnerische Vorteile und die Förderung des internationalen Leistungsaustauschs.

 

 

10.5. Gesamtbewertung

 

Die Bewertung nach den Wirkungen in den Bereichen Umwelt und Städtebau, Raumordnung, Verkehr und Gesamtwirtschaft ergibt in jedem dieser Wirkungsbereiche eindeutige Vorteile für die Variante III, die von allen Varianten am nächsten zu Hamburg verläuft und Teilabschnitte der A 26 und der A 7 mitnutzt. Auch wenn schwerwiegende Eingriffe im Bereich Umwelt verursacht werden, ist Variante III die im Vergleich mit den üblichen Varianten zu bevorzugende Lösung.

 

 

11. Zusammenfassung und Empfehlung

 

Im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ist die A 20 als großräumige Umfahrung der Metropolregion Hamburg zwischen der A 1 bei Zeven und der A 1 südlich von Lübeck im vordringlichen Bedarf ausgewiesen. Im Rahmen der vorliegenden verkehrswirtschaftlichen Untersuchung werden Trassenkorridore aufgezeigt, in denen eine Führung der A 20 möglich erscheint. Aufbauend auf den verkehrlichen Wirkungen werden verschiedene Varianten hinsichtlich ihrer Wirkungen in den Bereichen Umwelt und Städtebau, Raumstruktur, Verkehr und Wirtschaftlichkeit untersucht. Die Bewertung der Wirkungen ergibt eindeutige Vorteile für die Variante III, die in Abbildung 8 dargestellt ist. Die gesamtwirtschaftliche Bewertung kommt für alle Varianten zu einem positiven Ergebnis. Variante III hat mit 7,3 das höchste gesamtwirtschaftliche Nutzen-Kosten-Verhältnis und mit 6,9 auch das höchste Verkehrsnutzen-Kosten-Verhältnis aller untersuchten Varianten. Die Bewertung in den Bereichen Umwelt und Städtebau, Raumstruktur und Verkehr weist Variante III ebenfalls als zu bevorzugende Variante aus, auch wenn schwerwiegende Eingriffe im Bereich Umwelt verursacht werden.

 

Aus gutachterlicher Sicht wird empfohlen, der weiteren Planung Variante III zugrunde zu legen.

 

Alle untersuchten Varianten werden im Rahmen der verkehrswirtschaftlichen Untersuchung im Hinblick auf die Möglichkeit einer Privatfinanzierung untersucht. Betrachtet wird ein Betreibermodell gemäß Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz.

 

Keine Variante erreicht von sich aus eine ausreichende Rendite von etwa 15 % Eigenkapitalverzinsung. Diese kann nur durch staatliche Zuwendungen in Form einer Anschubfinanzierung erreicht werden. Variante III ist aufgrund ihrer stärkeren Verkehrsbelastung am ehesten rentabel zu betreiben. Sie erreicht die anzustrebende Verzinsung von 15 % des eingesetzten Eigenkapitals bei einer Anschubfinanzierung von etwa 20 %. Dabei werden 5,00 DM für einen Pkw, 12,00 DM für einen Lkw und 24,00 DM für Lastzüge als zu empfehlende Mautgebühr ermittelt. Rabatte in Höhe von 30 % sind für „Vielfahrer“ im Personen- und Güterverkehr berücksichtigt. Allerdings reduziert eine derartige Maut die Verkehrsbelastungen im Tunnel um ein Drittel. Diese Fahrten werden weiterhin auf den bisherigen Routen durchgeführt.